Frau Unsichtbar in der Arbeitswelt

Ruth Berghofer, MSc, Geschäftsführerin der BALANCE Akademie, Unternehmensberaterin und Wirschaftscoach

Vor zwei Wochen trudelte bei uns der „Karriere-Kompass“ der Kleinen Zeitung (www.kleinezeitung.at/kompasskarriere) ins Haus. Als Führungskräfte-Coach ist es mir wichtig, über Entwicklungen am Arbeitsmarkt Bescheid zu wissen und der Untertitel „Top-Unternehmen suchen Sie!“ erschien mit vielversprechend.

Was für eine Enttäuschung ist dieses Machwerk, wenn man es bewusst durchliest.

Ganz offensichtlich ist unsere Business-Welt eine Welt der Männer geschaffen für, ja, man will es nicht glauben, wiederum Männer. Frauen spielen darin keine Rolle, zumindest keine SICHTBARE!

Auf Seite 5 erklärt uns Dr. Helmut Mahringer, dass „Jobs komplexer geworden sind.“- AHA.

Laut dem Interview mit Matthias Horx (Beruf: Zukunftsforscher) gehört die Zukunft der Projektarbeit – losgelöst vom Stundenlohn. Gleich auf der nächsten Seite kommt KNAPP-CEO Gerald Hofer (mit Bild) zu Wort. Auf Seite 11 geht’s mit Herrn DI Martin Kollmann, Geschäftsführer der Kendrion GmbH weiter „We magnetise the world“.

Eine Doppelseite nehmen dann die Geschäftsführer der Infonova GmbH (3 Männer, wer hätte es gedacht) ein. Auch auf Seite 15 kommt ein Mann zu Wort: Richard de Hoop, Motivations- und Teambuilding-Coach.

Aber JETZT: Auf Seite 16!!! werde ich fündig: Bei der AVL-Doppelseite sind zwei weibliche Mitarbeiterinnen, Frau Ines Igler und Frau Verena Vescoli namentlich genannt und im Rahmen eines Gruppenfotos abgebildet. Zitiert wird (mit Einzelfoto) Herr Professor Helmut List, CEO der AVL.

Auf Seite 18 dann zur Abwechslung wieder ein Mann, Herr Dr. Erich Laminger: „DER CHEF ist wie EIN TRAINER im Fußball, DER die Mannschaft zusammenstellt und das Match aktiv begleitet.“ – Der Vergleich mit dem männerdominierten Sport Fußball ist wohl rein zufällig gewählt, wir wollen hier nichts unterstellen.

Auf Seite 21 kommt Herr Harald Kreiger, Prokurist SSI Schäfer Peem zu Wort.

HAAAAAAA: Ich sehe eine Frau! – Auf Seite 22!!!

Ach, das ist ja nur eine Werbeeinschaltung von  M & R Automation GmbH. Hier wird skandiert „Zu den Besten gehöre ich automatisch“ …. Mit dem Bild einer Frau. In einer Anzeige ist viel machbar.

Doch halt, auf derselben Seite sind zwei weitere Frauen namentlich genannt und sogar mit Einzelfoto abgebildet: Die SÄNGERIN und KABARETTISTIN Marion Petric und die INNENARCHITEKTIN Doris Dockner. – AHA.

Auf Seite 27 finde ich das erste echte Zitat einer Frau, nämlich von Frau Dr. Marlene Fritz, Prozessingenieurin bei Epcos, abgebildet mit ihrem Kollegen Dr. Christoph AUER, dem LEITER des Bereichs Corporate Materials R & D.

Beim Artikel „Anderssein als Erfolgsfaktor“ ist ein nachdenklich in die Kamera blickender Mann abgebildet, zum Ausgleich ist auf Seite 32 beim Artikel „Arbeiten Sie gesund?“ eine Frau mit PC am Schoß und einer eigenartigen Haltung, die wohl „Tiefentspannung“ darstellen soll abgebildet.

Auf Seite 34 geht’s zur Sache: Beim Artikel „Dresscode: 30 Grad aufwärts“ blickt ein Model im grauen Hosenanzug mit grauer Bluse keck in die Kamera. Jetzt wissen wir endlich, was für uns Frauen im Business wirklich wichtig ist und vor allem: Wie wir uns kleiden sollen! – AHA.

Auf Seite 39: Vier Männer im Business-Anzug. Der Vorstand der Steiermärkischen Sparkasse. Die wissen anscheinend, wie sie sich kleiden sollen.

Jetzt habe ich es! – Eine ganze Seite voller Frauen. Gleich 4 am Stück und eine davon mit Einzelbild und namentlich zitiert: Frau Mag.a (FH) Petra Mathi-Kogelnik. Geschäftsführerin von …. Raten Sie! – DM Drogerie Markt GmbH. Tja auch hier werden „neue Talente“ im Bereich „DM Friseur- und Kosmetikstudios“ gesucht. – So ist es.

Seiten 42 und 43 wie gehabt, Herr Gert-Peter Reissner als „Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Innsbruck“ kommt zu Wort und wir erfahren auch, dass er davor an der Universität Graz tätig war. Herr Hubert Freidl, Gründer von Lyoness lädt ein, die Chancen zu nützen. Welche denn genau?

Auf Seite 44 schielt ein weibliches Model mit Brille, Talar und schwarzem Doktorhütchen etwas dümmlich auf den Titel „Grüß` Sie Frau Doktor!“ … und im Artikel werden wir darüber aufgeklärt, dass „Grüß` Sie Frau PhD“, schon rein phonetisch nicht viel hergibt. – AHA.

Den Abschluss macht Herr Klaus Kercher auf Seite 45, Geschäftsführer bei Trenkwalder und auf den letzten Seiten präsentiert sich das Bundesheer als „attraktiver Arbeitgeber“ für Soldatinnen (absolut korrekt gegendert) und Soldaten. – Da schau her.

Wo sind sie? – Wo sind all die klugen, engagierten, erfolgreichen Frauen? – Wo sind die 50 % Frauen mit abgeschlossenem Studium? – Ich nehme an (und so erlebe ich es auch in der täglichen Arbeit), dass sie ihre Arbeit tun. Als Mitarbeiterin, als Führungskraft, als Einzelunternehmerin. Warum werden sie dann nicht abgebildet? – Warum kommen Sie nicht zu Wort, wenn es um das Thema „Karriere“ geht?

In unseren Medien wird ein verzerrtes Bild von Frauen in der Berufswelt dargestellt. Man tut, als gäbe es sie nicht. Schauen Sie doch einfach in die heutige Tageszeitung und prüfen Sie, zu welchem Thema Frauen als Expertinnen zu Wort kommen, wo Frauen namentlich genannt und abgebildet werden, wenn es NICHT um Kleidungsstil oder Kosmetik geht.

Wir Frauen müssen jeden Tag, genauso wie Männer, unsere Leistung bringen, unsere Expertise ausbauen und uns engagieren. Das tun wir auch. Es wird Zeit, dass dies auch zu sehen, spüren und hören ist!

Aufruf an alle Redakteurinnen und Redakteure: Blinde Flecken bearbeiten und Frauen sichtbar machen.


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