Anhäufen vs. Loslassen – und der Sprung ins Unbekannte

In unserem westlichen, vorherrschenden Weltbild gilt es, viel zu lernen, viele Fähigkeiten und Güter anzuhäufen, damit man es irgendwann geschafft hat und JEMAND ist. In den spirituellen Lehren des Ostens wiederum ist der Weg genau umgekehrt. Von Beginn der Geburt an, sollte der Mensch möglichst viel von dem, was er glaubt, zu sein, loslassen und ablegen, bis er immer mehr er selbst bzw. gottähnlich wird. Ich bin eine Verfechterin des Loslassens, da mich das Anhäufen von Kompetenzen, Gütern und Besitz noch nie glücklicher gemacht hat. Das Ablegen allerdings schon – und zwar gewaltig.

Was ich bisher losgelassen habe…

• die Idee einer klassischen Karriere und des Aufstiegs innerhalb eines großen Konzerns.
• das zwanghafte Vergleichen mit anderen und ihren Errungenschaften.
• die Vorstellung, dass ich meine Eltern retten könnte, wenn ich nur alles richtig mache.
• den Trugschluss, dass andere auf mich zukommen müssen, wenn ich ihnen etwas wert bin.
• die ständige Angst, dass alles, was ich anfasse, den Bach runtergeht.

Diese Aufzählung ist nicht vollständig und jeder der Punkte hatte sein ganz eigenes Gewicht und seine eigene Loslass-Strategie. Bei einem reichte eine einzige Erkenntnis, andere trug ich viele Jahre auf meinen Schultern, bevor ich sie erkennen, greifen und schließlich loslassen konnte. Am Ende ist das Ablegen einer starken Überzeugung auch das Niederlegen einer damit verbundenen Identität.

Loslassen erscheint mir rückwirkend wesentlich schwieriger als dazulernen

Es ist jedes Mal ein kleines bisschen am Abgrund stehen, hinunterschauen in die tosenden Fluten, ohne zu wissen, wie tief der Fall und wie hart die Landung sein wird. Werde ich ohne diese “Teile meiner Identität und meiner Vorstellung von Realität” wieder auftauchen? Der Akt des Loslassens ist jedes Mal angsteinflößend und dennoch mittlerweile vertraut. Er ist wie ein Sprung ins Leben – und der geht nur kopfüber. Welchen Teil von dir, welche Überzeugung oder welche hartnäckige Strategie könntest du dir vorstellen, loszulassen, um ein kleines oder großes bisschen freier zu werden?

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Eva Scheucher ist Lehrcoach, Ausdauersportlerin und Achtsamkeitsspezialisitin. Seit 2012 begleitet die Betriebswirtin Menschen zu mehr Bewusstheit, Klarheit und Achtsamkeit. Ihre Schwerpunkte liegen dabei in der Ausbildung von Coaches und Berater:innen, Visionsarbeit und der wirkungsvollen Gestaltung von privaten und Arbeitsbeziehungen. Seit 2021 leitet sie Ausbildungen zum Thema Achtsamkeit an der Balance Akademie.

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