Ich wollte nie über Politik schreiben
Als ich begonnen habe, in Newslettern oder in diesem Blog meine Gedanken mit mir nicht bekannten Menschen zu teilen, habe ich mir vorgenommen: „Ruth, schreibe bloß nie über Politik“.
Denn: Politik ist etwas sehr Persönliches, ja fast Intimes.
Und jetzt kommt`s: Ich bin so wütend und so enttäuscht, dass ich nicht länger zu diesem Thema stillschweigen kann. Damit gehöre ich wohl auch zu den vielzitierten WutbürgerInnen.
Fast jeden Tag lese ich in der Zeitung über neue Korruptions-Affären. Es scheint nichts zu geben, was in unserem Land nicht käuflich wäre: Staatsbürgerschaften, politische Entscheidungen, Medienmeinungen, Politiker … Übrigens bildet hier wohl keine Großpartei eine Ausnahme. Alle, alle sind sie betroffen.
Und während sie uns einzureden versuchen, dass WIR (diejenigen, die sehr wohl wissen, was ihre tägliche Arbeitsleistung ist) sparen müssen, verprassen SIE
– diejenigen, die nichts dabei finden, Eigen-PR auf unsere Kosten zu machen,
– diejenigen, die 6 Millionen Euro für eine Leistung bezahlen, die höchstens Euro 200.000,– wert ist,
– diejenigen, nach einer rechtskräftigen Verurteilung immer noch behaupten, dass alles, was sie getan haben RICHTIG war,
– diejenigen, die monatlich viel Geld annehmen, von Firmen, für die sie politische Entscheidungen treffen,
– diejenigen, die sich eine nicht selbst entwickelte Idee schützen lassen und diese dann für Euro 180.000,– an diejenigen verkaufen, die die Idee entwickelt haben,
– diejenigen, die bei solch einem Spiel mitmachen,
– (ich fürchte, diese Liste ließe sich noch endlich fortsetzen!)
UNSER schwer erarbeitetes Geld! Ich bin wütend … und enttäuscht.
Ich glaube, dass jene PolitikerInnen, die über Millionen- und Milliarden-Summen entscheiden längst den Bezug zum Geld verloren haben.
Lassen Sie uns diesen Bezug wieder herstellen: Ein NORMALbürger verdient, wenns gut geht, Euro 2.000,– netto im Monat. Das heißt, für Euro 180.000,– müsste unser Familienvater oder unsere alleinerziehende Mutter oder unser Pflegehelfer (holla, da bin ich falsch, die verdienen ja längst nicht so viel!) siebeneinhalb !!! Jahre arbeiten (Weihnachts- und Urlaubsgeld beziehe ich der leichteren Verrechnung wegen nicht ein). Und zwar mindestens 38,5 Stunden in der Woche.
Für 6 Millionen Euro, jenes Geld, dass ein „Berater“ von unseren Politikern für seine „Leistung“ erhalten hat, müsste besagter Normalbürger 250 !!!! (in Worten: zweihundertfünfzig Jahre) arbeiten.
Ich denke, jetzt können wir alle leichter verstehen, warum Österreichs Finanzen den Bach runter gehen. Jene PolitikerInnen, die über solche Summen mit einem Federstrich (achso, schon wieder falsch, für sechs Millionen Euro gab es ja gar keine schriftlichen Vereinbarungen, man wurde sich rasch im Gespräch einig) entscheiden, OHNE sich dabei vorzustellen, wie viel Leistung wir BürgerInnen dafür erbringen müssen, haben längst den Bezug zur Realität verloren. Den Bezug zu uns NormalbürgerInnen. Dabei sollten sie doch UNSERE Interessen vertreten. Dafür haben wir sie gewählt.
Oder liegt es in der Natur des Menschen? – Sind wir alle gleich? – Werden wir korrupt, käuflich, nimmersatt, ohne moralische Verantwortung sobald sich die Gelegenheit ergibt? –
Gerne stelle ich mir vor, dass es auch Menschen gibt, die anders sind. Dass die wirklich wichtigen Dinge im Leben sowieso nicht käuflich sind. Dass einige hunderttausend Euro mehr auf dem Konto auch nicht glücklicher und zufriedener machen. Doch wie beweisen, dass es auch anders geht? Nämlich mit ethisch korrekten Grundwerten, Verantwortungsbewusstsein und Herz für die Menschen, die täglich ihr Bestes geben?
Mein Mann hat vor einigen Tagen einen wichtigen Satz zu mir gesagt, er meinte: „Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du handelst und tust etwas dagegen oder du hörst auf dich zu ärgern. Ärgern ohne Handeln bringt niemanden etwas.“
Und seitdem denke ich darüber nach, was ICH tun könnte. Ich bin doch nur eine Bürgerin, eine einzelne Person. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit und Resignation hat mich in den letzten Monaten zum Thema Politik begleitet. Was, wenn alle Alternativen, die ich als BürgerIn zur Auswahl habe, keine sind, für die ich mich entscheiden kann und will? – Gar nicht mehr wählen gehen … und damit neuen Emporkömmlingen die Chance bieten mit vollen Händen zuzulangen?
Ich habe erkannt: Die Politik und die PolitikerInnen Österreichs kann ich nicht ändern. Die (falschen) Entscheidungen unserer PolitikerInnen kann ich nicht ungeschehen machen. Die PolitikerInnen, ManagerInnen, BeraterInnen, BankerInnen etc. etc., die sich an der Masse ungerechtfertigter Weise bereichern kann ich nicht ändern. All die Menschen, die keine moralische Verantwortung anderen gegenüber besitzen, die nicht fähig sind, sich selbst zu reflektieren, kann ich nicht ändern (das hätte wohl schon im Elternhaus und in der Schule passieren müssen).
Aber: MICH SELBST KANN ICH ÄNDERN!
Und so ist mir die Idee gekommen, in meinem kleinen, bescheidenen Rahmen ein Zeichen zu setzen. Und stellen Sie sich vor: Als ich meinen Kolleginnen und Kollegen von der BALANCE Akademie von dieser Idee erzählt habe, waren alle bereit, mitzumachen.
Demnächst informiere ich Sie auf diesem Blog über unser kleines Projekt, das den Namen trägt:
„Mit Herz und Verantwortung“ – Balance Akademie TrainerInnen und Coaches arbeiten für Weihnachtskekse
Nur so viel sei verraten: Eine Kultur des Nehmens, Raffens, Besitzen-Wollens hat zeitgleich zu einem Gefühl des Mangels, des Nicht-Habens, des Verlustes, der Angst und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft geführt. Was passiert, wenn wir wieder beginnen aus einem Gefühl der Fülle, Dankbarkeit und Wertschätzung heraus zu handeln und ZU GEBEN?