Mach keine große Geschichte draus!

Mach keine große Geschichte draus

Mach keine große Geschichte draus!

Oder: “Klavierspielen für inkonsequente Luder”

Ist dir eigentlich bewusst, wie viele Geschichten du dir tagein tagaus erzählst? Erst letzte Woche war ich eines Abends zu müde, um eine weitere Lektion am Klavier zu üben.

Eigentlich bin ich ja recht gut im disziplinierten Durchziehen von Dingen. Aber an diesem Abend – keine Chance. Und dann ging es in meinem Kopf los: “Du ziehst es schon wieder nicht durch. Schon wieder fängst du etwas an, was du nicht zu Ende machst.”

Diese Stimme ist gnadenlos und unbarmherzig. Ich habe sie Theres genannt. Nach meiner Mutter, denn sie ist die Person, von der ich dieses Narrativ in meinem Kopf geschenkt bekommen habe. Ich weiß es so genau, weil sie vor vier Jahren einmal ganz verdattert vor mir Stand, als ich ihr eröffnete, dass ich an dem Tag doch keinen Halbmarathon laufen werde (zu dem ich mich zuvor angemeldet hatte) und stattdessen lieber Radfahren gehe. Sie sah mich (ihre 38-jährige ERWACHSENE Tochter) entrüstet an und sagte: “Aber du hast dich dazu angemeldet. Das musst du jetzt durchziehen!”. Damals musste ich schmunzeln, weil ich einen personifizierten inneren Antreiber vor mir stehen sah.


Und genau so funktioniert das.

Wir wachsen mit Geboten, Werten und Glaubenssätzen auf, die kontinuierlich zum Backgroundchor unserer Gedankenwelt werden. Der innere Kommentator wartet nur auf seinen Einsatz und meldet sich dann mit einer dieser Geschichten zu Wort.

Dann führt das zu Geschichten wie:

  • “Er hat mich nicht zu diesem Meeting eingeladen. Wahrscheinlich hält er nichts von mir. Ich bin nicht … genug.”
  • “Ich bin krank und mein Kollege muss ein paar Termine für mich übernehmen. Ich lasse ihn im Stich. Er denkt sicher, ich bin unzuverlässig.”
  • Nachrichten lesend: “Die Welt geht den Bach runter. Die Menschen sind grausam. Alles wird schlechter….”

Mit unserem inneren Narrativ machen wir in sekundenbuchteilen große Sachen aus kleinen Ereignissen. Ein Stirnrunzeln einer Kundin kann zu einer ganzen Gute-Nacht-Geschichte ausarten.

Das gute an ihnen ist: Sie wiederholen sich in den Kernaussagen und wenn wir wachsam sind, können wir sie erwischen, bevor sie mit uns Schlitten fahren. Bevor sie uns den Tag, den Abend oder die Nacht ruinieren. Und bevor sie uns zu Taten oder Aussagen verleiten, deren einzige Grundlage eine dieser wahnwitzigen Geschichten ist. Das sind meist nicht die besten unserer Entscheidungen oder Gespräche.

Frag dich also zwischendurch mal:

  • Welche Geschichte erzähle ich mir gerade zu dieser Situation, die mich beschäftigt?
  • Kommt mir das bekannt vor?
  • Wiederhole ich vielleicht immer wieder die gleiche Leier in meinem Kopf, wenn mir so etwas passiert?
  • Welches Gefühl erzeugt diese Geschichte in mir und hilft mir das?

Dieses klassische Beobachten der eigenen Gedanken und Narrative, oder auch Glaubenssatzarbeit ist ein möglicher Schritt, bewusster zu handeln und freier zu entscheiden. Es ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit als Coach oder Lebensberaterin, um Klientinnen aus dem Gedankenkarussell und der Wiederholung von Mustern herauszuhelfen.

Was ist deine Lieblingsgeschichte aus dem Repertoire deines Kopfes?


Eva Scheucher ist Lehrcoach, Ausdauersportlerin und Achtsamkeitsspezialisitin. Seit 2012 begleitet die Betriebswirtin Menschen zu mehr Bewusstheit, Klarheit und Achtsamkeit. Ihre Schwerpunkte liegen dabei in der Ausbildung von Coaches und Berater:innen, Visionsarbeit und der wirkungsvollen Gestaltung von privaten und Arbeitsbeziehungen. Seit 2021 leitet sie Ausbildungen zum Thema Achtsamkeit an der Balance Akademie.


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