Der Sog der Pseudoproduktivität

Der Sog der Pseudoproduktivität

Der Sog der Pseudoproduktivität: Warum wir oft unnötig beschäftigt sind

Es war letzten Montag, die Sonne strahlte durch die Fenster und ich hatte mir fest vorgenommen, einen freien Tag zu genießen. Zwölf Tage am Stück hatte ich ununterbrochen gearbeitet, Projekte vorangetrieben, Seminare abgehalten, gecoacht und Aufgaben jongliert. Ein freier Tag war nicht nur gerechtfertigt – ich hatte ihn mir verdient.

Aber da war dieses leise, nagende Gefühl in der Magengegend: Sollte ich nicht doch wenigstens ein paar Mails beantworten? Ein wenig produktiv sein? Immerhin war Montag.

Diese innere Unruhe brachte mich zum Nachdenken. War ich nicht selbständig, frei in der Gestaltung meiner Arbeitszeit? Hatte ich nicht genug mit meinem Leistungsthema auseinandergesetzt? Warum fühlte ich mich schuldig, mir einen freien Montag zu gönnen?

Das Phänomen nenne ich den „unheilvollen Sog der Pseudoproduktivität“. Es ist diese tiefe, oft unbewusste Überzeugung, dass Produktivität gleichbedeutend mit “beschäftigt sein” ist – und dass Pausen nur dann gerechtfertigt sind, wenn man vorher hart genug gearbeitet hat.

Dieser reflexartige Sog ist tief in mir verwurzelt – wahrscheinlich nicht nur in mir. Die Vorstellung, dass „fleißige Menschen“ montags arbeiten, scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dem wir blind folgen. Selbst dann, wenn es völlig unlogisch und sinnbefreit ist. Selbst dann, wenn wir dringend Abstand oder eine Pause brauchen, um wieder leidenschaftlich und kreativ zu arbeiten.

Woher kommt dieses schlechte Gewissen? Und wichtiger noch: Wer bestimmt eigentlich meine Regeln?

Mir wurde wieder einmal bewusst, wie subtil sich gesellschaftliche Erwartungen und alte Glaubenssätze in meinem Denken ausbreiten können. Auch als Selbständige, die sich ständig mit Selbstreflexion beschäftigt und die ihre Zeit frei einteilen kann, bin ich nicht immun gegen die kulturellen Normen, die sich in unsere Basiskodierung eingeschlichen haben, dass “gestresst und beschäftigt sein” gleichbedeutend mit Erfolg und Daseinsberechtigung ist.

Wenn du ihn demnächst vielleicht selbst einmal spürst, den Sog der Pseudo-Produktivität, helfen dir vielleicht folgende Fragen, ob den Moment zu genießen anstatt nach der nächsten Beschäftigung zu suchen:

Fragen zur Reflexion:

  • Wann habe ich das letzte Mal innegehalten und meine Prioritäten bewusst überprüft? Welche Aufgaben/Tätigkeiten sind aktuell wirklich wichtig für mich?
  • Fühle ich mich schuldig, wenn ich mir Pausen und Freizeit nehme? Warum?
  • Worüber definiere ich meinen Wert als Mensch? Leistung, Strebsamkeit, Weiterentwicklung, einfach nur SEIN?
  • Welche Aktivitäten zahlen in meine Prioritäten ein, und welche treiben mich nur in den Sog der Pseudoproduktivität?

Der unheilvolle Sog der Pseudoproduktivität

Es ist Montag, die Sonne scheint und EIGENTLICH wollte ich mir frei nehmen, da ich 12 Tage am Stück durchgearbeitet hatte. EIGENTLICH hätte ich es mir verdient, heute nichts zu tun und den Tag zu genießen. Dennoch ist da dieses merkwürdige Gefühl in der Magengegend: ich sollte doch an einem Montag produktiv sein. Wenigstens ein paar Mails beantworten.

Kann ich es mir wirklich herausnehmen, nichts zu tun?

Und wozu muss ich mir das vorher verdienen? Kann ich einen Tag auch genießen, ohne mich vorher verausgaben zu müssen, damit ich es VERDIENT habe? Ich nenne dieses Phänomen “den unheilvollen Sog der Pseudoproduktivität”. Ich wurde so daran gewöhnt, dass “fleißige” Menschen montags arbeiten, dass das schlechte Gewissen wie ein Reflex einsetzt, wenn ich mir stattdessen frei nehme. Es entbehrt jeder Logik, denn ich habe davor an Samstagen und Sonntagen zusätzlich gearbeitet.

Und wer sagt überhaupt, wann ich arbeiten soll? Ich bin selbständig! Was für ein Bullshit ist das, der tief in meinem Gehirn eingebettet ist und automatisch mit einem Wochentag verknüpft ist.


Eva Scheucher ist Lehrcoach, Ausdauersportlerin und Achtsamkeitsspezialisitin. Seit 2012 begleitet die Betriebswirtin Menschen zu mehr Bewusstheit, Klarheit und Achtsamkeit. Ihre Schwerpunkte liegen dabei in der Ausbildung von Coaches und Berater:innen, Visionsarbeit und der wirkungsvollen Gestaltung von privaten und Arbeitsbeziehungen. Seit 2021 leitet sie Ausbildungen zum Thema Achtsamkeit an der Balance Akademie.


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