Die achtsame Führungskraft
Warum sollten Führungskräfte sich in puncto Achtsamkeit weiterentwickeln?
Was unterscheidet denn eine „normale“ Führungskraft von einer achtsamen Führungskraft, einem Mindful Leader?
Vergleichen wir einfach einen typischen Morgen im Leben einer „normalen“ und einer achtsamen Führungskraft.
Ein „normaler“ Abteilungsleiter kommt am Morgen ins Büro. Er ist schlecht gelaunt, weil er beim Verlassen des Hauses eine hitzige Diskussion mit seinem pubertierenden Sohn hatte. Außerdem steckte er unerwartet lange im Stau. Er ist spät dran. Eigentlich wollte er seine Präsentation vor seinem Meeting mit dem Management durchsehen.
Seine Laune verschlechtert sich, als einer seiner Mitarbeiter ihm sagt, dass seine Präsentation noch nicht fertig ist. Er öffnet sie und sagt schnippisch: „Dann mache ich es halt wie immer selbst!“
Auf der zweiten Folie sticht ihm ein Fehler ins Auge und er denkt: „Typisch, dieser Mitarbeiter kann nie etwas richtig machen.“ Er sagt kein Wort zu seinem Mitarbeiter – es hat bisher auch nichts verändert.
Nervös, schlecht vorbereitet und entnervt über den Start des Tages macht er sich auf den Weg zum Meeting. Gedankenverloren geht er zum falschen Meetingraum, wo das Meeting normalerweise stattfindet. Er trifft dort niemanden an. Wütend blickt er auf sein Handy, um zu prüfen, was in der Meeting-Einladung stand.
Natürlich! Es ist dieses Mal im Meetingraum zwei Gebäude weiter. Er hat keine Chance, es noch rechtzeitig zu schaffen. Er ärgert sich über die Assistentin des Geschäftsführers, weil sie nie darauf Rücksicht nimmt, dass er einen so weiten Weg hat.
Außerdem leuchten auf seinem Handy schon wieder 25 ungelesene Mails auf und seine Frau ruft gerade an. Das Adrenalin steigt, sein Puls rast, er beginnt zu schwitzen und fühlt sich überfordert und bereits am Start seines Arbeitstages am Ende seiner Kräfte.
So oder ähnlich könnte ein Tag im Leben einer „normalen“ Führungskraft beginnen.
Gehen wir den Tag einmal gleich an – nur dieses Mal mit einer achtsamen Führungskraft.
Der Morgen hat mit einer Meditation begonnen, gefolgt von einem gemeinsamen Frühstück mit seiner Familie. Die üblichen pubertären Machtkämpfe am Morgen konnte er in einer wertschätzenden Haltung gegenüber seinen zwei jugendlichen Kindern entschärfen. Er bedankt sich bei seiner Frau. Sie schafft es jeden Tag, ihren Job und die Organisation der vielen Aktivitäten der beiden Kinder unter einen Hut zu bringen. Er verlässt sein Haus mit einem Gefühl der Dankbarkeit und Fülle.
Im Stau hält er inne, um seine Präsentation in Gedanken noch einmal durchzugehen. Er fokussiert auf die wesentlichen Punkte und versetzt sich in eine ruhige, wertschätzende Haltung für das Meeting. Mit dem Geschäftsführer hatte er zuletzt einige Konfliktgespräche. Daher nutzt er die letzten Minuten im Auto, um sich ein eine wohlwollende Haltung ihm gegenüber zu versetzen. Er wird besonders auf ihn eingehen und sein Verständnis gewinnen.
Im Büro angekommen begrüßt er sein Team. Seit einiger Zeit haben sie Performance Probleme. Er hat daher eine Teamsitzung in den nächsten Tagen einberufen. Er will mit seinem Team Lösungen finden, mit denen sie alle einverstanden sind.
Er erhält die unvollständige Präsentation und sieht den Fehler auf der Seite zwei. Er macht seinen Mitarbeiter darauf aufmerksam und bittet ihn, diesen in seinem Fehler-Buch zu notieren. In der nächsten Fehler-Besprechung können sie daraus im Team lernen. Er ist zuversichtlich, dass der Mitarbeiter mit der Unterstützung seiner Kollegen eine Lösung finden wird. Er wünscht ihm einen guten Start in den Tag.
Er wirft einen Blick in seinen Kalender, um zu überprüfen, wo das erste Meeting stattfindet. Seine 25 ungelesenen Mails fallen ihm noch gar nicht auf. Er hat es sich zur Gewohnheit gemacht, sie erst in einem dafür vorgesehenen Zeitfenster zu lesen. Er erhält keine Pop-Ups oder akustische Signale. Diese hat er deaktiviert. Nach dem Meeting hat er eine Stunde Zeit für seine Mailbox und das Priorisieren und Delegieren der dringlichen Aufgaben reserviert.
Auf dem Weg zum Meeting klingelt sein Telefon. Nur seine Frau kann im „Meeting-Modus“ auf seinem Handy durchkommen. Er hebt ab, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Sie braucht seine Unterstützung und kann aber bis nach dem Meeting darauf warten. Er kommt pünktlich im Meetingraum an und startet in einer wohlwollenden, ruhigen Stimmung seine Präsentation.
Die Unterschiede zwischen dem Morgen einer „normalen“ und einer achtsamen Führungskraft erscheint Ihnen zu blumig? Tatsächlich liegt der Unterschied nur in einer regelmäßigen Achtsamkeitspraxis zum Trainieren und Festigen einer achtsamen Grundhaltung.
Der achtsame Abteilungsleiter hat damit vor ca. 6 Monaten angefangen. Seither meditiert er fast täglich und überprüft jeden Tag seine Haltung. Er übt sich in wohlwollenden Gedanken gegenüber Konfliktpartnern und schwierigen Mitarbeitern, insbesondere dem Geschäftsführer. Er erinnert sich an alles, wofür er dankbar sein kann. Und er trainiert, so oft er kann, mit seinem Fokus ins Hier und Jetzt zu kommen.
Seither werden seine Interaktionen und Beziehen sowohl beruflich als auch privat von Tag zu Tag ruhiger, wertschätzender und effektiver. Er hat das Gefühl, seine Mitmenschen besser zu verstehen und sie so akzeptieren zu können, wie sie sind. Sein Arzt hat festgestellt, dass sein hoher Blutdruck sich verbessert. Er schläft besser und fühlt sich allgemein dankbar und glücklicher.
Er ist froh, damit begonnen zu haben. Es faszinierte ihn von Beginn an, was man mit ein paar Minuten pro Tag und einer einfachen Änderung seiner Haltung bewegen kann. Er freut sich darauf, seine Mitarbeiter in diese Richtung weiterzuentwickeln und ihnen ein Vorbild in Achtsamkeit zu sein. Er denkt, dass sie damit nächstes Jahr die Performance steigern werden und sich wohler miteinander fühlen werden.
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Autorin: MMag. Eva Scheucher, Coach, Trainerin und Expertin für Achtsamkeit